Verletzlich

06.04.2023
Bild/Artist: Choice Art
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Ach Mensch! Vorhin habe ich gesehen, wie ein Bauer erbarmungslos auf eine Kuh einschlug, weil sie nicht stillhielt, als er ihr die Melkmaschine anbringen wollte. Soll ich dir sagen warum? Weil ihr Euter dermassen entzündet und eitrige ist, dass ihr dieses Gerät Höllenschmerzen bereitet.

Ich habe ebenso gesehen, wie ein Schwein mit klaffender Wunde auf einem besudelten Spaltenboden stand. Der Blick dieses Tieres war gebrochen und es schrie schmerzgequält nach Hilfe.

Du hast nicht gesehen, wie das Kälbchen in der Todeszone des Schlachthauses immer und immer wieder brutal getreten wurde, begleitet von niedersten und perversesten Beschimpfungen, oder?

Wusstest du, dass man Angorakaninchen ihr Fell bei lebendigem Leibe alle drei Monate ausrupft für flauschige Kleidung und Accessoires?

Hast du auch schon einmal beobachtet, wie Fische zu tausenden mit Fangnetzen gewaltsam aus dem Wasser gezogen werden, wie sie panisch zappeln und sich winden? Verzweifelt öffnen sie ihre Münder, während sie minutenlang qualvoll und stumm ersticken.

Ein Huhn lag verdreckt und mit gebrochenen Beinen im eigenen Kot auf dem Rücken. Es wurde in nur vierzig Tagen hochgemästet, so dass es nun sein eigenes Gewicht nicht mehr tragen konnte. Stell dir vor, Mensch, das habe ich gesehen und ich war erschüttert!

Ich frage dich, willst du all das wirklich unterstützen?

Du hast doch ein gutes Herz und würdest niemals wollen, dass man ein Tier quält. Dennoch, wenn es zu deiner persönlichen Entscheidung kommt, was auf deinem Teller liegt, zahlst du für Abscheulichkeiten, die du niemals zuliessest, würdest du Zeuge davon.

Ja, ich appelliere an dein Gewissen, welches du sonst im Alltag als deinen inneren Kompass wahrnimmst. Warum schaltest du diesen ab, sobald es darum geht eine andere empfindsame Spezies ernst zu nehmen in seinen Bedürfnissen und seiner Daseinsberechtigung?

Du lässt dich gerne mit deinem Hund ablichten. Stelle ich dich zur Rede und frage, warum soll man deinen Hund nicht schlachten und essen, findest du den Vergleich nicht vergleichbar.

Einen Vergleich als nicht vergleichbar zu deklarieren, der nach einem Vergleich geradezu schreit, zeigt wie du die Doppelmoral wohl erahnst, dich aber dennoch permanent weigerst, diese anzuerkennen.

Ich kann verstehen, dass es jetzt manchmal unbequem wird in deiner Bequemlichkeit, die empfindlich gestört wird von Stimmen, die klar verlauten lassen, dass dein Handeln für andere Wesen die Hölle auf Erden bedeutet. Niemand hört das gerne, denn wir wollen keine Unmenschen sein und wir wollen geliebt werden. Genauso wollen andere Geschöpfe auch geliebt und mit Achtung behandelt werden.

Aber was erzähl ich da alles. Du weisst es, Mensch – du weisst, dass ich richtig liege, du spürst es, wenn dein Kopf still wird. Vor allem aber weisst du, dass du kein Tierquäler sein willst. Deshalb lege ich dir folgendes ans Herz: Gib den Tieren ihr Lebensrecht auf Unversehrtheit zurück und mach dich auf den achtsamen Weg, der deinem sanften Wesen tatsächlich entspricht.

Nicht nur du bist verletzlich, sondern auch alle anderen, die geboren werden und in Frieden leben wollen.


Text by: Bea Kälin