Schmerz

25.10.2020


Die Tatsache, dass uns eines Tages der Tod ereilen wird, ist uns allen klar. Die einen setzen sich mit ihrer Endlichkeit auseinander, die anderen sind bestrebt, dies möglichst lange zu verdrängen...

In meiner langjährigen Tätigkeit als Krankenpflegerin, habe ich Menschen in den Tod begleitet, die entweder hochbetagt oder schwer erkrankt waren. Das grösste Anliegen der Sterbenden war nicht die Angst vor dem Tode selbst, sondern die Frage: «Wann hört der Schmerz endlich auf?» oder «Werden die Schmerzen noch schlimmer werden?»

Schmerz ist etwas, das wir unbedingt vermeiden möchten. Manchmal braucht es nur einen kleinen Schnitt am Zeigefinger und schon sind wir im Alltag beeinträchtigt. Ein Tag mit Kopfschmerzen raubt einen oft die ganze Lebensfreude und Energie. Durch Schmerz fühlen wir uns in der Lebensqualität eingeschränkt und es fällt schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, geschweige denn, dass man noch etwas geniessen kann. Chronische Schmerzen führen oft in Depressionen bis hin zum Suizid.

Beim Thema Schmerz, müsste man also annehmen, dass der Mensch mindestens da Empathie aufbringt, wenn man ihm sagt, dass Tiere in der «Nutztierhaltung» immense Schmerzen erleiden. Tierschützer zeigen Videos von Kastenständen, in denen Schweine mit offenen Wunden in ihren Käfigen gefangen sind, Bilder von Kühen mit gebrochenen Beinen, liegend in ihrem eigenen Kot und Aufnahmen von Schweinen, die bei lebendigem Leibe in ein 60° heisses Bad geworfen werden und schreiend ihren Verbrühungstod bewusst miterleben. Trotzdem wird das Thema vom Fleischesser immer wieder auf die «humane Schlachtung» gelenkt. Obwohl es augenfällig ist, dass diese Tiere Höllenqualen erleiden, scheint dem Omnivor nur wichtig zu sein, dass das geschundene Tier fachgerecht und schnell zur Strecke gebracht wird. Es geht doch bei der Tier- und Massentierhaltung nicht nur um das Thema Töten! Es geht um die physische und psychische Qual, welche diese armen Wesen erleiden müssen - jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde und jeden Tag ihres elenden Daseins bis hin zu ihrer gnadenlosen Hinrichtung.

Was ist da geschehen, dass wir - denen man nachsagt, wir seien die einzigen Wesen, die Empathie empfinden können - nicht einmal mehr mit der Wimper zucken, wenn uns vom Elend der Tiere berichtet wird? Wo haben wir das Mitgefühl verloren? Sind wir denn überhaupt in der Lage nachzufühlen, was andere Erdlinge erleiden? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir das nicht können, weil das ganze Gesellschaftssystem uns zu Egozentriker heranzüchtet. Wir lernen nichts über Mitgefühl, wir lernen nur, wie wir uns als Individuum mit Ellenbogentaktik und Opportunismus durchs Leben schlagen sollen. Da wir nur dahingehend «gebildet» werden in einem System zu funktionieren, welches den Mammon verehrt, werden wir abgestumpft gegenüber anderen fühlenden Wesen. Die Ausgeburt dieser Erziehung, sind die stummen, geschlagenen und gefolterten Opfer, deren Schmerzen und Qualen nicht einmal mehr anerkannt werden.

Es gibt nicht nur den Satz: «Du sollst nicht töten.», es steht auch geschrieben: «Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg auch keinem andern zu.»


Text by: Bea Kälin